„Keine Müdigkeit und keine Launen“.
Entstehung und Entwicklung der Arunda

Ein Beitrag von Irene Zanol

Die inzwischen 40-jährige Geschichte der Arunda beginnt in der Redaktion einer anderen Zeitschrift, nämlich in jener der Südtiroler Hochschülerschaft, dem skolast, die seit 1956 (bis 1962 unter dem Namen Der fahrende Skolast) vierteljährlich erschien, zunächst bei Athesia bis es 1969 zum Bruch mit dem Verlagshaus kam. Die Schriftleitung übernahm Hans Wielander 1961 von Konrad Neulichedl. Als Wielander in die Redaktion eintrat, gab es kaum Texte, auf die er zurückgreifen konnte, und das Blatt zu füllen fiel zunächst nicht leicht. Wielander krempelte die Zeitschrift grundlegend um und nahm drei Veränderungen vor, die ein gutes Jahrzehnt später auch für die Arunda wegweisend waren: Er setzte erstens Themenschwerpunkte, erweiterte zweitens den Fokus und öffnete die Zeitschrift für Inhalte aus allen Fakultäten und überarbeitete drittens das Layout des Blattes und fand ein schnörkelloses und ästhetisch gelungenes Design, das die Zeitschrift lange prägte.

Ein gutes Jahrzehnt später, Mitte der 1970er Jahre, schloss sich eine Gruppe von Freunden, darunter Volker Oberegger, Roland Kristanell, Norbert Florineth, Paul Preims, Kurt Pircher und Michael Höllrigl, zusammen und gründete den Arbeitskreis Vinschgau. Mit dem Wunsch nach einer eigenen Zeitschrift traten sie an Hans Wielander heran, der reichlich Erfahrungen im Printjournalismus gesammelt hatte und inzwischen Lehrer am Realgymnasium Schlanders war. „Ja, das sei machbar“, hätte er damals geantwortet und hinzugefügt: „Die Bedingung ist: keine Müdigkeit und keine Launen.“ (Interview, 16. 9. 2015). 1976 erschien die Nummer Menschenkinder als erster Teil eines zeitlich begrenzten Experiments: Nach vier Jahren mit jeweils drei Nummern wollte man aufhören. Eigentlich.

Die erste Nummer – geziert von einem Flora-Raben auf dem Titelblatt – trug den Untertitel Aktuelle Südtiroler Kulturzeitschrift (der weiterhin nur noch auf der zweiten, vierten und fünften Nummer aufschien) und wurde am 19. Mai 1976 im Waltherhaus in Bozen präsentiert. Die Angaben über die Auflagenzahl dieses ersten Hefts variieren. Das Handbuch österreichischer und Südtiroler Literaturzeitschriften 1970–2004 nennt drei Auflagen mit insgesamt 2.000 Stück. (Esterhammer, Abfalterer, S. 68). Horst Saller gibt an, dass bereits die erste Auflage mit 1.000 Stück gedruckt wurde und zwei Nachdrucke mit jeweils wieder 1.000 Stück folgten (Saller, S. 47). Ob 2.000 oder 3.000 Stück – als Gesamtauflage für die erste Nummer einer neu gegründeten regionalen Kulturzeitschrift sind beide Zahlen beachtlich. Heute schwankt die Auflagenzahl je nach Thema und erwartetem Absatz zwischen 2.000 und 4.000 Stück, die AbonnentInnenzahlen bewegten sich lange relativ konstant bei ca. 1.200. Horst Saller gibt für 1997 folgende Zahlen an: Von insgesamt 1.270 Abonnenten stammen 792 aus Südtirol, 47 aus dem restlichen Staatsgebiet, 192 aus Österreich, 176 aus Deutschland, 56 aus der Schweiz und 7 aus sonstigen Ländern (Saller, S. 51).

Die Idee für den Namen der Zeitschrift – der, das stand von Beginn an fest, ein rätoromanischer sein sollte – hatte Siegfried de Rachewiltz. (Schröder, S. 182). „Die ‚Arunda‘ ist ein Berg, zwischen Engadin und Münstertal gelegen, nahe der Grenze zu Italien, der Schweiz und Österreich – ein Berg für Grenzgänger“ (Schröder, S. 182) und gleichzeitig eine „Liebeserklärung an Rätien und zugleich Aufforderung, den gewohnten Horizont zu erweitern“, so Hans Wielander im Informationsblatt zur ersten Nummer. (1/1976, S. 4). In der Wahl des Namens kommt nicht nur die Verbundenheit mit der Heimat programmatisch zum Ausdruck, sondern auch, dass man bei der Definition des Begriffs den politischen Grenzziehungen nicht folgt. Überhaupt wollte man „frei und unabhängig, keiner Ideologie verpflichtet“ (1/1976, S. 4) und damit auch nicht parteipolitisch sein. So wurden die Erwartungen mancher, die in der Arunda ein „politisches Instrument gegen die institutionalisierte Presse und die instrumentalisierte Kulturpolitik“ (Saller, S. 75) sehen wollten, enttäuscht. Prototypisch kam diese Kritik in einem Beitrag Günther Vanzos zum Ausdruck, der den „unterschwelligen mystizismus“ und den Versuch, „die realität zu romantisieren“, kritisiert und behauptet: „das sogenannte aktuelle in arunda vermag nicht die mauern des traditionellen denkens und sehens zu druchbrechen, sondern festigt dies geradezu, indem es den prozeß der irrationalisierung fördert. die übernommenen schemata und konventionen werden, aktuell garniert, dem leser schmackhaft serviert und so seinem rationellen blick und zugriff entzogen. das kapital aber leckt sich die pfoten nach gut dressierten ästhetik-idioten.“ (7/1979, S. 37)

Aber auch der Schriftsteller Joseph Zoderer, in der ersten Nummer mit einem Romanauszug aus dem Glück beim Händewaschen vertreten, äußerte sich unverhohlen kritisch:

„Pluralistisch – ja, aber entsprechend wehrlos, konfus und ‚ältlich‘. Das Produkt spiegelt die Herausgebertruppe: sog. Ideologiefreie, ‚Unpolitische‘ […]. Ich wünschte mir eine weniger aufwendige, dafür aber frische, angriffslustige Zeitschrift, die eine Gegenstimme zum Monopolchor der ‚Braven‘ u. deren Beherrscher wäre.“ (Zoderer, Tagebuch 20. 5. 1976).

Bei der Stimme des „Monopolchors“, dem konservativen Athesia-Journalisten und späteren Chefredakteur der Dolomiten, Josef Rampold, stieß die Arunda trotz der von Vanzo und Zoderer attestierten Angriffsunlust und der Scheu vor dem Politischen auf alles andere als Begeisterung. In seiner Rezension der Nummer 2, Zerstörung, kritisiert er barsch vor allem die zeitgenössische Dichtung und Kunst als „Mätzchen, die den ernst zu nehmenden Teil von ‚Arunda‘ deutlich abwerten“. Weder die Lyrik von Matthias Schönweger oder N. C. Kaser, noch die Werke von Gina Thusek könnten laut Rampold „als künstlerischer oder intellektueller, ja nicht einmal als kritischer oder humorvoller Impuls zu werten [sein], und ich halte auch nichts davon, sich mit solchen Blödeleien ins Gespräch bringen zu wollen […].“ (Rampold, 1976, S. 28).

Den einen zu „ältlich“, den anderen zu progressiv – und dennoch oder gerade wegen dieser bewussten Situierung zwischen den gegensätzlichen Positionen ein Erfolg. Die Arunda, nur anfänglich so kontrovers diskutiert und später von RezensentInnen beinahe ausschließlich für ihre Arbeit gelobt, war von Beginn an ein außergewöhnliches Medium, das sich mit keinem anderen Südtiroler Publikationsorgan vergleichen ließ und lässt.

Außerhalb Südtirols gibt es zwei Zeitschriften, die mit der Arunda vor allem den Blick auf ihren jeweils eigenen Kulturraum teilen: Il Chardun, eine romanische Zeitschrift aus dem Engadin, die seit 1971 von Jacques Guidon herausgegeben wird sowie I quaderni valtellinesi, eine seit 1981 regelmäßig erscheinende Zeitschrift aus dem Veltlin, die auf den Punkt bringt, was sie beschäftigt: „La cultura locale e il mondo“ („Die lokale Kultur und die Welt“).

Die Arunda war nie vordergründig politisch, dennoch war sie es durch die Wahl ihrer Themen (man denke etwa an Das Kreuz mit der Identität 1981, Die Alpen. Nach Gebrauch wegwerfen 1996 oder Sinti und Roma. Eine Spurensuche 2005) in der für ihre Macher charakteristischeren ruhigen, aber bestimmten Art sehr wohl. Georg Mair formulierte es 1996 in einem Artikel zum zwanzigjährigen Bestehen so: „Die ‚Arunda‘ stand zu ihren besten Zeiten immer ein wenig daneben, und schon zu Zeiten, als andere vom Gedanken an die (Welt)revolution getrieben wurden, hielt sie sich lieber an das Bodenständige. […] Sie war konservativ, als noch niemand auszusprechen wagte, dass die Bewahrung der Traditionen, der Landschaft, des bäuerlichen Lebens auch für Linke ein Wert sein kann.“ (Mair, 1996, S. 47).

Auch die Wahl der Sprache(n) ist eine politische Entscheidung. Es gehörte schon früh zum Konzept der Arunda, neben deutschsprachigen auch italienische und zum Teil ladinische Texte aufzunehmen, wo es für sinnvoll erachtet wurde (vgl. etwa die Kurztexte in drei Sprachen im 1985 erschienenen Bildband Tera Ladina von Bruno Faidutti und Brunamaria Dal Lago Veneri). Sprachenübergreifende Medien kamen im Südtirol der 1970er Jahre erst langsam auf, etwa durch die Südtiroler Volkszeitung. Zeitung für Kultur und Politik der neuen Linken (1978-1981) und das erste konsequent zweisprachige, allerdings kurzlebige Zeitungsprojekt von Alexander Langer, das Tandem (1981-1983). Arunda hatte diesbezüglich also zwar nicht die alleinige, aber doch eine Vorreiterrolle. Was heute für den Südtiroler Journalismus als richtungsweisend gelten kann und für aufgeklärte Medien mittlerweile zum guten Ton gehört (vgl. die Online-Magazine franzmagazin.com oder salto.bz.), führte in den 1970er Jahren im Fall der Arunda beinahe noch zum Entzug der Förderungen durch das Land Südtirol, da das Verhältnis der Fördermittelvergabe gemäß dem Proporz geregelt ist und der damalige Landesrat für deutsche Schule und Kultur, Anton Zelger von der Südtiroler Volkspartei, eine Vermischung der Sprachen (und Sprachgruppen) nicht dulden wollte. (Saller, S. 45). Die Herausgeber hielten jedoch an ihrem mehrsprachigen Konzept fest und schlussendlich blieb die angedrohte Streichung der Gelder aus. Ab den 1980er Jahren begann man, ausgewählte Nummern komplett zu übersetzen und in kleineren Auflagen auch auf Italienisch herauszubringen, so z. B. L’Arca (dt.: Die Arche 1987), Il fieno e la paglia (dt.: Heu und Stroh 1990) oder Sassi (dt.: Steine 2002).

Diese Entscheidung wurde möglicherweise auch dadurch beeinflusst, dass der in Laas geborene, aber in Mailand aufgewachsene Gianni Bodini, der in den späten 1970er Jahren erstmals mit Beiträgen in der Arunda vertreten war, ab 1981 zum festen Bestandteil der Redaktion wurde. Einer Redaktion, die sich bis dahin im Wesentlichen auf einen Akteur, Hans Wielander, beschränkte und sich zugleich durch die größtmögliche Offenheit auszeichnete:

„Und vielleicht hat die Arunda auch überlebt, weil die Redaktion im Grunde nur aus ihm [Hans Wielander] besteht, die einzelnen Hefte in seinem Kopf entstehen. Das macht auch die Stärke und die Schwäche der Arunda aus. Hans Wielander nimmt auf, führt weiter, gibt Anregungen, ist stur und macht und tut – in einem Kreis von Vertrauten, die ihm die Stange halten. Mitglieder der Redaktion, es gibt eine!, behaupten, dass die Redaktion in 30 Jahren nie zusammengetreten sei.“ (Mair, 2006, S. 54).

Hans Wielander ist seit vier Jahrzehnten die Konstante, seit den 1980er Jahren stand ihm Gianni Bodini als wohl verlässlichster Mitarbeiter und Co-Redakteur zur Seite. Einen Teil der Aufgaben Bodinis, der sich seit 2015 aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen hat, hat inzwischen Ulrich Wielander übernommen. Einen festen Stamm gibt es darüber hinaus kaum, allerdings etliche Freunde, die die Arunda weiterhin unterstützend begleiten (u. a. Paul Preims und Siegfried de Rachewiltz), und MitarbeiterInnen bzw. HerausgeberInnen von Einzelheften, die in Phasen einmal mehr, einmal weniger aktiv Inhalte beigesteuert haben. Diese arbeiteten lange ohne Honorar, erst seit den 1990er Jahren ist es den Herausgebern möglich, geringe Beträge als Entschädigung zu zahlen. (Saller, S. 48).

Redaktionssitzungen im traditionellen Sinn gab es – wie oben erwähnt – von Beginn an nicht. Man traf sich anfänglich im Haus von Michael Höllrigl in Lana, oft auch zu Wanderungen, später dann im heutigen Redaktionssitz, Hauptstraße 10, in Schlanders. Wielander konnte hier das leerstehende Obstmagazin seines Vaters nutzen, womit der Arunda bis heute viel mietfreier Raum zur Verfügung steht, Freiraum also zum Denken, für kreatives Arbeiten ohne allzu großen finanziellen Druck.

Um die Finanzierung ihrer Projekte ermöglichen zu können, griff der Arbeitskreis Vinschgau auf verschiedene Mittel zurück. Im Zuge der Präsentation der ersten Nummer 1976 fand in Bozen eine Versteigerung von Werken Südtiroler Künstler statt – der Erlös war eine Art Grundkapital für die Arunda. Ebenso wurde in den ersten Heften regelmäßig dazu aufgerufen, Förderer der Arunda zu werden und die Arbeit der Redaktion durch Spenden zu unterstützen. Häufige institutionalisierte Fördergeber waren die Südtiroler Landesregierung (Abteilung deutsche Schule und Kultur), das Bundesministerium für Unterricht und Kunst Wien, die Stadtgemeinde Meran, aber auch verschiedene Banken (z. B. die Volksbank Meran, die Raiffeisenkasse oder die Südtiroler Sparkasse). Etliche Ausgaben erschienen in Zusammenarbeit mit anderen Vereinen, so etwa Mythos Gletscher (2004) und Mythos Lawine (2007) mit dem Verein Pro Vita Alpina oder Pennarias. Schreibfedereien (2001) von Jacques Guidon in Zusammenarbeit mit der bereits genannten Engadiner Zeitschrift Il Chardun.

Während die ersten Nummern gänzlich ohne Anbindung an einen Verlag entstanden sind, gab es ab den 1990er Jahren häufiger und ab 2001 regelmäßige Kooperationen mit Verlagen, u. a. mit Raetia (Gottfried Masoner Lesebuch 1992), der Edition Löwenzahn (Requiem für die Welt und Ulten, beide 2002), dem Verlag der Provinz (Rebsaft  und Böhmen hin und zurück, beide 2012) oder dem Mitteldeutschen Verlag (Hohe Morde. Historische Kriminalfälle aus Tirol 2014). Die Finanzierung der Druckkosten erfolgte über die vereinbarte Abnahme von Exemplaren für die Abonnenten, der Versand der Hefte bzw. Bücher wurde vom Schlanderer Redaktionssitz aus abgewickelt. Die Kooperation mit Verlagen war nicht nur arbeitsökonomisch, sondern auch aus einem weiteren Grund vorteilhaft: Die entsprechenden Arunda-Nummern wurden in die jeweiligen Verlagsprogramme aufgenommen und waren bzw. sind auf einem weiteren Vertriebsweg erhältlich. Auch der Vertrieb einzelner Nummern auf Kommission in Südtiroler Buchhandlungen war über die Verlage leicht abzuwickeln.

Die Arunda zeichnete sich – wie zu Beginn angedeutet – von der ersten Nummer an durch drei Charakteristika aus: die Fokussierung auf ein Thema pro Nummer, das breite Spektrum an AutorInnen und Meinungen sowie eine besondere ästhetische Gestaltung. Im Folgenden möchte ich auf diese drei Aspekte kurz eingehen.

Definiert man eine Zeitschrift als ein Periodikum mit Aktualitätsanspruch, in dem Texte mehrerer BeiträgerInnen publiziert werden, so muss man feststellen, dass einiges davon auf die Arunda nicht oder nur teilweise zutrifft. In das Korsett einer periodischen Erscheinungsweise konnte und wollte sich die Redaktion nie zwängen, stattdessen wurde ein Punktesystem eingeführt: Jede Arunda-Nummer entspricht einem bis drei Punkten, in Summe umfasst ein Jahresabonnement der Arunda vier Punkte (aufgeteilt auf zwei bis drei Nummern).

Den Anspruch, aktuell zu sein, vertrat die Arunda vor allem in den ersten Nummern, die noch einen ausgeprägteren Zeitschriftencharakter hatten. Diese Nummern, zu denen im engeren Sinn nur die ersten beiden, Menschenkinder und Zerstörung, die Nummern 4 (Unsere Nachbarn) und 5 (Nostalgie) sowie 7 (Diese Suppe ess ich nicht) und 11 (Das Kreuz mit der Identität) zählen, enthielten – auch das sind Merkmale einer Zeitschrift – Beiträge mehrerer AutorInnen, die von den HerausgeberInnen inhaltlich und formal koordiniert wurden. Bereits die dritte Nummer, Der Vinschgauer Sonnenberg, kündigte eine Entwicklung an, die für die Arunda bezeichnend sein sollte: Wielander hatte für das zweite Heft, das dem Thema Zerstörung gewidmet war, einen längeren Text über den Vinschgauer Sonnenberg verfasst, der allerdings aufgrund der Länge und des bereits vorhandenen Materials für diese Nummer nicht mehr aufgenommen werden konnte. So entstand die Idee, das (Foto-)Material anzureichern und daraus einen eigenen, den ersten monografischen Sammelband zu machen. Ein weiterer Band, dem diese Idee zu Grunde lag, erschien im Jahr darauf: Aubet Cubet Quere, ein Bildheft über die Wallfahrt zu den Heiligen drei Jungfrauen von Meransen von Karl Gruber. Fortan erschienen (und erscheinen bis heute) zahlreiche Ausgaben zu speziellen Themen. Darunter finden sich solche, die einen einzigen Langtext enthalten, ebenso wie solche, zu denen mehrere AutorInnen ihre Arbeiten beigesteuert haben. Zustande kamen sie meist, indem Ideen und Projekte an Hans Wielander herangetragen wurden und dieser – hierin liegt eine weitere Besonderheit der Arunda – die Konzeption und Umsetzung dieser Nummern stets einem oder mehreren Herausgebern (meist den Initiatoren bzw. Ideengebern) anvertraute. Wielander selbst nahm auf die inhaltliche Gestaltung in diesen Fällen keinen Einfluss, stand aber helfend zur Seite, wo seine Erfahrung als Buchmacher und -gestalter gefragt war. So hatte etwa Gerhard Mumelter die Redaktion der Nummer 13, Literatur in Südtirol (1983) inne und Matthias Schönweger gestaltete die in der Produktion sehr teure, weil besonders aufwendig gestaltete Nummer 10 über Anton Frühauf (1980).

Der Schritt von der thematischen Schwerpunktsetzung in den ersten Nummern hin zur Monografie war also nicht weit. Oftmals wirken die gewählten Themen und Sujets auf den ersten Blick profan – häufig stellt sich auf den zweiten Blick aber heraus, dass gerade diese Nummern sich als besonders interessant erweisen, denn „Kulturzeitschriften sind dann am besten, wenn sie sich Themen widmen, die so allgemein sind, dass jeder meint, darüber ließe sich doch wirklich nichts (mehr) sagen.“ (Heissenberger, 1997). Dass es zum Beispiel über Brot (1980), Musik in Südtirol (1982), Heu & Stroh (1990) oder den Mythos Gletscher (2004) nicht nur noch etwas, sondern noch Grundsätzliches zu sagen gilt, bewiesen deren jeweilige Herausgeber Siegfried de Rachewiltz, Roland Kristanell, Kristian Sotriffer und Hans Haid. So wurde aus der Kulturzeitschrift langsam eine Kulturbuchreihe, die verdienstvolle Würdigungen lokaler Künstler oder Intellektueller (Peter Fellin 1986, Alois Kuperion 1988, Gottfried Masoner 1992, Therese Eisenmann 2003 oder Valentin Braitenberg 2011 – um nur einige zu nennen) ebenso publizierte wie Ausstellungskataloge (Engelsburg 84. Begegnungen Incontri 1984, Fühlst du dich frei? 2010 oder Flickwerk 2015), literarische Anthologien (Franz Tumler. Zum 70. Geburtstag 1982, Literatur in Südtirol 1983, Das Unterdach des Abendlandes 1988 oder Sagen aus dem Vinschgau 1995) und kulturgeschichtliche Untersuchungen.

Man folgte in der Themenfindung und -auswahl nie einem einheitlichen Konzept, vielmehr waren und sind es zufällige Entdeckungen, anregende Lektüren oder interessante Bekanntschaften, die die Impulse zu den Arunda-Nummern gaben und geben. Das ist Stärke und Schwäche zugleich.

Etliche Ausgaben sind auch durch Kooperationen oder als Auftragsarbeiten entstanden. So entstand die Nummer 46, Obst. Kultur und Wirtschaft von Gianni Bodini und Hans Wielander als Festschrift zum fünfzigjährigen Bestehen der Obstgenossenschaft Schlanders 1996 und Farben in Tirol 1990 in Zusammenarbeit mit der Brixner Firma Durst Phototechnik, die sich mit „Licht, Farbanalyse und Farbmischung, Licht- und Farbmessung“ beschäftigt und sich der Herausforderung stellte, „die Farben des heimatlichen Geschäftsstandortes aufzuarbeiten und zu dokumentieren.“ (29/1990, S. 116).

Aus diesen Beispielen wird ein weiterer Vorteil des monografischen Konzepts der Arunda ersichtlich, nämlich ein ökonomischer: Für eine Nummer zu einem bestimmten Thema finden sich leichter Sponsoren aus dem Bereich, die dann in vielen Fällen auch einen Teil der Auflage für ihre Kunden abnehmen. So wurde zum Beispiel der Band Athesis. Der Fluß zwischen Rätien und der Adria (18/1985) von den Etschwerken der Städte Bozen und Meran gefördert und der Band Rebsaft (83/2012) entstand in Zusammenarbeit mit dem Weingut Alois Lageder.

So vielfältig die Themen der Arunda waren, so groß war die Riege der MitarbeiterInnen der Buchreihe in den zurückliegenden vierzig Jahren. Ganze 850 BeiträgerInnen können bis 2015 gezählt werden. Darunter finden sich solche, die ein Foto beigesteuert haben, ebenso wie solche, die ganze Nummern mit Text- und Bildmaterial gefüllt und regelmäßig an der Arunda mitgearbeitet haben. Die oben erwähnte größtmögliche Offenheit galt und gilt auch im Hinblick auf die Menschen, die zur Arunda beitrugen. WissenschaftlerInnen aller Disziplinen kamen ebenso zu Wort wie HandwerkerInnen, SchülerInnen genauso wie BäuerInnen oder AutorInnen, kurzum war die Arunda ein Podium für jeden, der etwas zu erzählen hat oder Wissen weitergeben und vermitteln kann. Dabei ist Meinungskonformität mit dem Kernteam der Redaktion nie ein Kriterium gewesen. Man denke nur an den bereits zitierten Beitrag Günther Vanzos. (7/1978-79, S. 36-38).

„Ob in den beredeten Zeitschriftennummern, den fundierten Monographien oder den wortkargen Bildbänden“ (Saller, S. 77), immer spielte der Anspruch der Buchmacher Wielander und Bodini eine Rolle, ein Produkt zu präsentieren, das ansprechend gestaltet und qualitativ hochwertig gemacht ist. Gerade in den ersten Jahren waren Layout und Design – beides lag bis zur Umstellung auf digitale Drucktechniken ganz in den Händen der beiden – ein Herzensanliegen der Redaktion. So wurden in die erste Nummer zahlreiche farbige Bilder händisch eingeklebt und das zweite Heft enthielt einige Strohhalme, die Teil einer Collage von Matthias Schönweger waren. (2/1976, S. 67-72).  Immer wieder wurden unterschiedliche Papiersorten verwendet, so etwa Bodenpapier, das eigentlich zum Schutz loser Äpfel in Transportsteigen dient, für die faksimiliert gedruckten Gedichte N. C. Kasers in der Arunda 7, Zerstörung. Auch Beilagen waren keine Seltenheit: Dem Beitrag Nostalgie und Eros in Arunda 5  zum Thema Nostalgie, liegt zum Beispiel ein faksimilierter, gefalteter Brief bei, der in eine eingeklebte, transparente Fotohülle eingelegt ist, und die Nummer 11, Das Kreuz mit der Identität, ist mit einer Schallplatte bestückt, die zwei Tanzweisen des italienischen Renaissance-Komponisten Giorgio Mianerio, aufgenommen vom Ensemble Oswald von Wolkenstein, enthält.

Einem Zufall verdankt die Arunda eine weitere formale Eigenheit, die sie bis heute zu etwas Besonderem macht: 1979 sollte die Landschaftsmonografie Südtirol. Eine Elegie des aus Südtirol stammenden Autors, Kritikers und Lektors Kristian Sotriffer als Lizenzausgabe in der Arunda erscheinen. Da die Druckvorlagen bereits vorhanden waren und ein Quartformat vorsahen, stand man vor der Entscheidung, ob man das bisher gängige Format von 27,5 x 20,5 Zentimetern aufgeben solle oder nicht. Aus der Not – die Publikation des Bandes wäre anders nicht möglich gewesen – hat man eine Tugend gemacht und kam zu einem Entschluss, der in der Folge oftmals die Kreativität des Berufsfotografen Gianni Bodini förderte: „Wenn das Thema ein anderes Format verlangt, muss man ein anderes Format machen“ (Bodini). Seitdem erschienen Bücher in allen möglichen Formaten, fest gebunden oder als Broschur, im Vierfarbdruck oder schwarz/weiß. Für jeden Inhalt wird versucht, die geeignete Form zu finden: Die Nummer 16, Verknüpfungen, aus dem Jahr 1984 besteht etwa aus zahlreichen ungebundenen Bögen, die in einem Umschlag (gestaltet von Eduard Habicher) zusammengefasst und von einer Metallklammer zusammengehalten werden. 1987 erschien als Nummer 22 eine Bildfolge über das Leben von Mensch und Tier auf Bergbauernhöfen von Gianni Bodini unter dem Titel Die Arche. Sie sticht dadurch ins Auge, dass sich das broschierte Heft in einem größeren Kartonumschlag befindet, den man ähnlich dem Riegel einer Stadeltür öffnet.

Das Türenöffnen, das Verbinden von Innen (Südtirol) und Außen, blieb über vierzig Jahre ureigenste Aufgabe der Arunda, die im Geleitwort zur ersten Ausgabe von Paul Preims noch als „eine tochter, von hoffenden und bangen eltern [in die Welt] entlassen“ beschrieben wurde: „vielleicht hängt noch zuviel von deren herzen an ihr, sie bauen auf ihre innere qualität, sie ist wohl unerfahren und nicht umgangsgewandt, wird noch manchen äusseren mangel haben, ist aber neugierig, lebensdurstig und allen offen.“ (1/1976, S. 8).

1996 schrieb Georg Mair zum zwanzigjährigen Bestehen der Arunda:

„Heute kämpft die Zeitschrift mit dem Problem, dass diese Haltung, das Bewahren-Wollen, längst von allen in Anspruch genommen wird. Darin liegt auch einer der Gründe, warum die ‚Arunda‘ ihre Bedeutung verloren hat, warum auch sie belangloser geworden ist.“ (Mair, 1996, S. 47).

Über dieses Urteil lässt sich bestimmt trefflich streiten. Unbestritten aber ist, dass manche Nummern aus den zurückliegenden 40 Jahren bleiben werden. Sei es aufgrund ihrer ästhetischen Aufmachung oder aber – und das ist wohl noch wichtiger – weil mit ihnen Grundlegendes geleistet wurde. In der Arunda fand Aufklärung und Wissensvermittlung statt, man bot gebündelte Information und Unterhaltung in einem Medium, das angedacht war als Gedankenaustausch zwischen Freunden. In Arunda 62, Der Eschenbach in Unterinn, schrieb Volker Oberegger, seit vierzig Jahren verantwortlicher Redakteur: „Lieber Hans, 27 Jahre sind vergangen, seit die erste Arunda erschienen ist. Wir sahen darin ein geeignetes Mittel, Gedanken auszutauschen: Ein Briefwechsel wäre dazu wohl allzu persönlich gewesen.“ (62/2003, S. 80).

Was die Zukunft betrifft, legt sich Hans Wielander nicht fest. Es sind jedenfalls noch einige Nummern in Planung und mit dem Ausscheiden Gianni Bodinis war auch eine stärkere Einbindung von Ulrich Wielander verbunden. Dieser schmunzelt: „Ich bin mit der Arunda aufgewachsen“, und ruft damit einen Satz Gerhard Riedmanns in Erinnerung, der in der Tiroler Tageszeitung konstatierte: „Das ‚Antikonzept‘ ist lebendig.“ (Riedmann, 1980)

 

Verwendete Literatur

  • Horst Saller: Arunda. Entstehung und Wandel einer Südtiroler Kulturzeitschrift. Wien 2002.
  • Nina Schröder: Kultur als Zerreißprobe. In: Gottfried Solderer (Hg.): Das 20. Jahrhundert in Südtirol. Bd. IV: Autonomie und Aufbruch 1960 bis 1979. Bozen 2002, 174-205.
  • Ruth Esterhammer, Heidemaria Abfalterer: Arunda. In: Ruth Esterhammer, Fritz Gaigg, Markus Köhle (Hg.): Handbuch österreichischer und Südtiroler Literaturzeitschriften 1970–2004. Innsbruck 2008, S. 66-72.
  • Joseph Zoderer: Tagebuch-Eintrag vom 20.5.1976, Forschungsinstitut Brenner-Archiv, Sign: 184-54-01.

Zeitungsartikel

  • Michaela Heissenberger: Wege nach draußen. In: FF, 16.8.1997.
  • Georg Mair: Der Blick vom Berg. In. FF, 30.11.1996.
  • Georg Mair: Die Welt daheim. Die Arunda erscheint seit 30 Jahren und hält sich abseits der Moden. Das neue Heft jedoch ist von einer großen Beliebigkeit. In: FF, 21.9.2006.
  • Josef Rampold: Weiter warten auf Arunda. In: Dolomiten, 13./14.11.1976.
  • Gerhard Riedmann: „Arunda“ – eine Zeitschrift findet ihren Weg. In: Tiroler Tageszeitung, 5.1.1980.

Interviews

  • Gespräche mit Hans Wielander, Gianni Bodini, Paul Preims, Norbert Florineth, Ulrich Wielander und Karin Welponer in Schlanders am 16. und 17. September 2015, geführt von Christine Riccabona, Erika Wimmer.
  • Gespräch mit Luis Stefan Stecher in Marling am 18. September 2015, geführt von Christine Riccabona, Erika Wimmer.
  • Gespräch mit Gerhard Mumelter in Bozen am 10. Dezember 2015, geführt von Erika Wimmer.